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Klimaschutz trifft Pflegeausbildung

Wie das GGSD Bildungszentrum München (BIZ) als Umweltschule Verantwortung übernimmt

Der Klimawandel ist nicht nur eine ökologische und gesellschaftliche Herausforderung, sondern zunehmend auch ein zentrales Gesundheitsthema. Pflegekräfte und Hebammen spielen eine Schlüsselrolle, wenn es darum geht, die gesundheitlichen Folgen der Klimakrise zu erkennen und verantwortungsvoll zu handeln. Als zertifizierte Umweltschule in Europa geht das BIZ München mit gutem Beispiel voran: Mit der Unterzeichnung der Nursing Climate Challenge (NCC) hat sich die Schule dem europäischen Netzwerk angeschlossen.

Thurner Johnen

Lehrkraft Dorothea Thurner (l.), die die Initiative an der GGSD Pflegeschule ins Leben gerufen hat, und Schulleiterin Stefanie Johnen gestalten gemeinsam mit dem Kollegium den Schulalltag zunehmend klimabewusst und zukunftsorientiert. Im Interview berichten sie von ihren Beweggründen, den Reaktionen der Schüler*innen und ihren Visionen für eine nachhaltige Pflegeausbildung. 


Frau Thurner, was hat Sie persönlich motiviert, sich für die Nursing Climate Challenge am BIZ München starkzumachen?

Im Masterstudium habe ich mich intensiv mit der materiellen Perspektive auf die Pflegelehre auseinandergesetzt. Dabei bin ich auf die Themen Ressourcenverbrauch und planetare Gesundheit gestoßen. Es braucht dringend Pflegefachpersonen, die über entsprechende Kompetenzen und eine passende persönliche Haltung zu diesen Themen verfügen. Da ich Bildungseinrichtungen als Orte der Kompetenzentwicklung, Haltungsbildung und der kritischen Reflexion betrachte, war es mir ein Herzensanliegen, die Nursing Climate Challenge am BIZ München mitzuinitiieren.

Frau Johnen, welche Bedeutung messen Sie als Schulleiterin dem Thema Klimaschutz im Kontext der Pflegeausbildung bei?

Frau Johnen: Klimaschutz hat aus meiner Sicht eine große Relevanz in der Pflegeausbildung, da die Auswirkungen des Klimawandels sowohl die Gesundheit der Bevölkerung als auch das Gesundheitssystem selbst betreffen. Hitzewellen, Feinstaubbelastung oder die Zunahme klimabedingter Erkrankungen stellen neue Herausforderungen für Pflegefachpersonen dar. Deshalb ist es wichtig, Pflegeschülerinnen und -schüler nicht nur auf medizinische und pflegerische Aspekte vorzubereiten, sondern ihnen auch ein Bewusstsein für ökologische Zusammenhänge zu vermitteln. Darüber hinaus trägt das Gesundheitswesen selbst in erheblichem Maße zu CO-Emissionen und Ressourcenverbrauch bei, was uns als Schule eine wichtigen Handlungsauftrag gibt: Pflegefachpersonen können durch ressourcenschonendes Handeln, nachhaltiges Management von Verbrauchsmaterialien und die Mitgestaltung von Prozessen in Kliniken und Pflegeeinrichtungen zu einem klimafreundlicheren Gesundheitswesen beitragen. In der Ausbildung möchten wir deshalb neben fachlichen Kompetenzen auch ein ökologisches Verantwortungsbewusstsein fördern und die Schüler*innen befähigen, reflektiert und verantwortungsvoll mit den Herausforderungen des Klimawandels im pflegerischen Alltag umzugehen.

Welche thematischen Schwerpunkte setzen Sie im Unterricht in Bezug auf Klimawandel und Gesundheit?

Frau Johnen: Dorothea Thurner hat in Vorbereitung auf die Beitragserklärung zur NCC die Curricula der Pflegeausbildung und Altenpflegehilfeausbildung auf Inhalte überprüft, in denen die direkten als auch indirekten Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesundheit thematisiert werden können. 

Frau Thurner: Ja, dazu gehören Themen wie hitzebedingte Gesundheitsrisiken, die Zunahme von Infektionskrankheiten durch veränderte klimatische Bedingungen, psychische Belastungen durch Umweltkatastrophen sowie soziale Ungleichheiten in der Gesundheitsversorgung. Darüber hinaus werden auch ökologische Aspekte im Pflegealltag thematisiert, wie ressourcenschonendes Handeln, nachhaltige Ernährung im Pflegekontext und umweltverträgliche Hygiene.

Wie erleben Sie das Interesse und die Rückmeldungen der Auszubildenden zu diesem Thema?

Frau Johnen: Wir erleben bei unseren Schüler*innen insgesamt ein grundsätzliches Interesse am Thema Klimaschutz, das jedoch sehr heterogen ausgeprägt ist. Die Vorkenntnisse und Einstellungen variieren stark – nicht nur aufgrund unterschiedlicher Bildungsbiografien, sondern auch aufgrund kultureller Prägungen. Während einige Auszubildende bereits ein ausgeprägtes Umweltbewusstsein mitbringen und sich aktiv mit Nachhaltigkeitsthemen auseinandersetzen, haben andere bisher wenig Berührungspunkte damit gehabt oder andere Schwerpunkte in ihrer Lebensrealität.

Frau Thurner: Genau diese Heterogenität versuchen wir im diskursiven Austausch im Unterricht fruchtbar zu machen – beispielsweise im Diskurs zwischen Lernenden, die zum Teil bereits hautnah die Auswirkungen klimabedingter Gesundheitsschäden in der pflegerischen Versorgung oder im privaten Umfeld erlebt haben, und solchen Lernenden, bei denen noch kein Transfer zwischen gesundheitlichen Gefahren und ursächlich klimabedingten Faktoren erfolgt ist. Als Lehrende moderieren wir entsprechende Diskurse und wirken an der Entwicklung einer professionellen Haltung sowie professioneller Werte entlang des ICN-Ethikkodex mit. In diesem ist seit seiner Novellierung 2021 dezidiert formuliert: „Pflegefachpersonen setzen sich gemeinsam dafür ein, die natürliche Umwelt zu erhalten, zu stärken und zu schützen. Sie sind sich der gesundheitlichen Folgen der Umweltzerstörung, z. B. aufgrund des Klimawandels, bewusst. Sie treten für Initiativen ein, die umweltschädliche Praktiken reduzieren, um Gesundheit und Wohlbefinden zu fördern“ (ICN 2021, S. 20).

Frau Johnen, inwiefern ergänzt die Teilnahme an der Nursing Climate Challenge das Profil des BIZ als Umweltschule – und welche Synergien ergeben sich daraus im Schulalltag?

Frau Johnen: Die Teilnahme an der NCC stärkt unser Profil als Umweltschule, da sie die Verbindung zwischen ökologischer Verantwortung und beruflicher Bildung sichtbar macht. Pflegeausbildung und Klimaschutz werden so nicht getrennt gedacht, sondern systematisch verknüpft. Im Schulalltag ergeben sich daraus zahlreiche Synergien: Themen aus dem Bereich Nachhaltigkeit fließen fachübergreifend in den Unterricht ein, Umweltprojekte werden mit pflegerischen Inhalten verbunden.

Frau Thurner: Auch wenn „Umweltschule“ und die NCC unterschiedliche Initiativen sind, wirken sie im Kern ihres Anliegens stark zusammen und sind im Hinblick auf ihre Zielsetzungen nicht getrennt voneinander zu denken. So können Aktionen der Umweltschule – wie etwa der Kräutergarten am BIZ – gezielt im Unterricht aufgegriffen und zur Entwicklung von Fragestellungen rund um die natürliche Umwelt und ihren Schutz genutzt werden. Darüber hinaus können Inhalte und Ressourcen des NCC, darunter Bildungsangebote wie Schulungen, Studien oder Informationsmaterialien sowie ein internationales Netzwerk, synergetisch eingebunden werden.

Welche Kompetenzen sollen Pflegefachpersonen im Umgang mit klimabedingten Gesundheitsfolgen entwickeln?

Frau Johnen: Pflegefachpersonen sollten lernen, klimabedingte Gesundheitsrisiken zu erkennen, Risikopatient*innen entsprechend zu beraten und präventive Maßnahmen umzusetzen. Gleichzeitig sollen sie befähigt werden, im eigenen Arbeitsumfeld umweltbewusst zu handeln, Ressourcen verantwortungsvoll einzusetzen und sich für nachhaltige Strukturen in der Gesundheitsversorgung einzusetzen. Dazu gehört auch die Fähigkeit zur interprofessionellen Zusammenarbeit in gesundheits- und klimapolitischen Kontexten.

Frau Thurner: Entsprechend der Nursing Climate Challenge versuchen wir Pflegefachpersonen als Multiplikator*innen planetarer Gesundheit im professionellen Setting, aber auch im privaten Bereich auszubilden.  Pflegefachpersonen nehmen eine zentrale Rolle ein, wenn es darum geht, gesellschaftliche Verhaltensänderungen im Sinne eines nachhaltigeren globalen Gesundheitssystems anzustoßen. Durch ihre gesellschaftliche Vertrauensstellung (forsa, 2024) verfügen sie über eine besondere Einflussmöglichkeit, um über klimabedingte Gesundheitsrisiken aufzuklären und aktiv zu einem sozialen Wandel beizutragen.

Gibt es Projekte oder Unterrichtsbeispiele, die Sie besonders hervorheben möchten?

Frau Johnen: Ein Projekt, das wir in unserer Schule etabliert haben, ist der schuleigene Kräutergarten, der sowohl unter ökologischen als auch pflegefachlichen Gesichtspunkten genutzt wird. Hier lernen sie nicht nur den achtsamen Umgang mit natürlichen Ressourcen, sondern setzen sich auch mit der Anwendung von Kräutern in der pflegerischen Praxis auseinander – etwa im Rahmen der basalen Stimulation oder der Aromapflege. Der Kräutergarten verbindet Theorie und Praxis auf sinnvolle Weise: Im Unterricht werden die Wirkung einzelner Heilpflanzen und ihre Einsatzmöglichkeiten thematisiert, während die praktische Arbeit im Garten das Bewusstsein für Nachhaltigkeit und regionale Selbstversorgung stärkt. 

Frau Thurner: Im Unterricht beschäftigen wir uns mit einer Vielzahl von Themen rund um Planetary Health. Ein klassisches Beispiel sind klimabedingte Hitzeperioden und deren Auswirkungen, insbesondere auf vulnerable Gruppen – etwa Hitzeerschöpfung, Hitzschlag, Sonnenstich, Exsikkose oder Hitzekrämpfe. Hierbei können auch regionale Ressourcen beispielhaft einbezogen werden, wie etwa die „Karte kühler Orte“ der Stadt München.

Welche nächsten Schritte und langfristigen Ziele verfolgen Sie im Rahmen der Klimainitiative an Ihrer Schule?

Frau Johnen: Ein nächster wichtiger Schritt besteht darin, das Bewusstsein für Klimaschutz sowohl bei den Lehrkräften als auch bei den Schüler*innen weiter zu stärken. Unser Ziel ist es, dass alle Beteiligten Klimaschutz nicht nur als zusätzliches Thema, sondern als integralen Bestandteil pflegerischer Bildung verstehen. Langfristig möchten wir erreichen, dass klimabezogene Inhalte regelmäßig und selbstverständlich in den Unterricht einfließen, unabhängig vom Fach oder curricularer Einheit. 

Frau Thurner: Dabei soll jede Lehrkraft im Rahmen ihrer Unterrichtsplanung prüfen, an welchen Stellen ökologische Aspekte, nachhaltiges Handeln oder klimabezogene Gesundheitsrisiken sinnvoll und praxisnah thematisiert werden können. Ziel ist es, unsere Schüler*innen nicht nur fachlich, sondern auch ökologisch-sozial verantwortlich auszubilden – im Sinne einer zukunftsfähigen Pflege.


Ein Zeichen für Bildung mit Verantwortung 

Das Engagement des Bildungszentrums München für die Nursing Climate Challenge und als zertifizierte Umweltschule zeigt, wie berufliche Bildung gesellschaftliche Verantwortung übernehmen kann. Der Klimawandel betrifft uns alle – umso wichtiger ist es, künftige Pflegefachpersonen nicht nur fachlich, sondern auch ökologisch und ethisch zu stärken.

Wir als GGSD sehen in diesem Einsatz ein starkes Beispiel dafür, wie unsere Bildungszentren Werte wie Nachhaltigkeit, Gesundheitskompetenz und Gemeinwohlorientierung in der Ausbildung verankern. Die Arbeit von Frau Thurner, Frau Johnen und dem gesamten Kollegium am BIZ München steht exemplarisch für unser Selbstverständnis: Bildung, die nicht nur Wissen vermittelt, sondern Haltung entwickelt – für eine gesunde und gerechte Zukunft.

www.ggsd.de